News Release

Warmes Eis im Röntgenlaser

Forschende untersuchen am European XFEL und DESY ungewöhnliche Formen von Eis bei Raumtemperatur unter extremem Druck

Peer-Reviewed Publication

Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

HED-Experimentierstation

image: Die Interaktionskammer IC2 der HED-Experimentierstation am European XFEL. In dieser Kammer wurde das Ice XXI mithilfe von Diamantstempelzellen hergestellt und mit den intensiven und ultrakurzen Röntgenblitzen des European XFEL analysiert. view more 

Credit: Foto: European XFEL

Eiscreme gibt es in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen. Aber auch reines Eis, das nur aus Wassermolekülen besteht, kommt in mehr als 20 verschiedenen festen Formen oder Phasen vor, die sich in der Anordnung der Moleküle unterscheiden. Die Phasen werden mit römischen Ziffern benannt, wie Eis I, Eis II oder Eis III. Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftler:innen des Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS) den European XFEL und PETRA III benutzt, um eine neue Phase namens Eis XXI zu identifizieren und beschrieben. Die Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Nature Materials veröffentlicht.

Eis XXI unterscheidet sich strukturell von allen bisher beobachteten Phasen von Eis. Es entsteht, wenn Wasser bei Raumtemperatur schnell zu überkomprimiertem Wasser zusammengepresst wird, und ist metastabil. Das bedeutet, dass es eine gewisse Zeit lang existieren kann, obwohl unter diesen Bedingungen eine andere Form von Eis stabiler wäre. Die Entdeckung liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich Hochdruck-Eis bildet.

Wasser (oder H2O) besteht zwar nur aus zwei Elementen, weist jedoch in festem Zustand eine bemerkenswerte Komplexität auf. Die meisten Phasen existieren nur bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen. Die Ergebnisse des Teams liefern neue Erkenntnisse darüber, wie sich die verschiedenen Eisphasen bilden und sich mit dem Druck verändern.

„Durch schnelle Kompression bleibt Wasser auch bei höheren Drücken flüssig, bei denen es eigentlich bereits zu Eis VI kristallisieren müsste“, erklärt KRISS-Wissenschaftler Geun Woo Lee. Eis VI ist eine besonders faszinierende Phase, von der man annimmt, dass sie im Inneren von Eismonden wie Titan und Ganymed vorkommt. Seine stark verzerrte Struktur könnte komplexe Übergangswege ermöglichen, die zu metastabilen Eisphasen führen.

Da die meisten Eisvarianten nur unter extremen Bedingungen existieren, erzeugten die Forschenden hohe Drücke mit sogenannten Diamantstempelzellen. Die Probe – in diesem Fall Wasser – wird dabei zwischen zwei Diamanten platziert, die aufgrund ihrer Härte sehr hohen Druck aufbauen können. Das Wasser wurde unter Drücken von bis zu zwei Gigapascal untersucht, was etwa dem 20.000-fachen des normalen Luftdrucks entspricht. Dadurch bildet sich bereits bei Raumtemperatur Eis, dessen Moleküle jedoch viel dichter gepackt sind als bei „normalem“ Eis.

Um die Eisbildung unter verschiedenen Druckbedingungen zu beobachten, erzeugten die Forschenden zunächst innerhalb von 10 Millisekunden (eine Millisekunde ist ein Tausendstel einer Sekunde) einen hohen Druck von zwei Gigapascal. Anschließend entspannten sie die Stempelzelle über einen Zeitraum von einer Sekunde und wiederholten den Vorgang. Während der Zyklen nutzte das Team die Röntgenblitze des European XFEL, um jede Mikrosekunde – also jede Millionstel Sekunde – Bilder der Probe aufzunehmen. Mit seiner extrem hohen Röntgenpulsrate konnten die Forschenden ähnlich wie mit einer Hochgeschwindigkeitskamera Filme erstellen, die zeigen, wie sich die Eisstrukturen bilden.

Danach benutzten sie Beamline P02.2 bei PETRA III und stellten fest, dass Eis XXI eine tetragonale Kristallstruktur besitzt, die aus überraschend großen Elementarzellen aufgebaut ist. Als Elementarzellen bezeichnet man die sich wiederholenden Einheiten in Kristallen.

„Mit den einzigartigen Röntgenpulsen des European XFEL haben wir mehrere Kristallisationswege in Wasser entdeckt, das mit einer dynamischen Diamant-Stempelzelle in rascher Folge über 1000 Mal komprimiert und dekomprimiert wurde“, erklärt Lee. „In unserer speziellen Druckzelle werden Proben zwischen den Spitzen zweier gegenüberliegender Diamanten zusammengedrückt und können entlang eines vordefinierten Druckpfades komprimiert werden“, ergänzt Cornelius Strohm vom DESY-HIBEF-Team, das diese Anordnung an der High Energy Density (HED)-Experimentierstation des European XFEL eingerichtet hat.

„Die Struktur, in der flüssiges Wasser kristallisiert, hängt vom Grad der Überkompression der Flüssigkeit ab“, sagt Lee. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei hohen Temperaturen möglicherweise eine größere Anzahl von metastabilen Eisphasen und damit verbunden Übergangswege gibt, die neue Einblicke in die Zusammensetzung von Eismonden bieten könnten“, fügt Rachel Husband vom DESY-HIBEF-Team hinzu.

Sowohl DESY als auch European XFEL arbeiten gemeinsam daran, Wasser besser zu verstehen: DESY durch das gemeinsames Unterfangen Centre for Molecular Water Science und European XFEL durch seinen Water Call, aus dem diese Forschung hervorgegangen ist. Sakura Pascarelli, wissenschaftliche Direktorin bei European XFEL, erklärt: „Es ist fantastisch, ein weiteres großartiges Ergebnis aus unserem Water Call zu sehen, einer Initiative, die Forschende dazu einlädt, innovative Studien zum Thema Wasser vorzuschlagen. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Entdeckungen in der Zukunft.“


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