News Release

Studie zu Genschaltern mit überraschendem Resultat

Ergebnisse der Universität Bonn und der LMU München stellen bisherige Vorstellungen ein Stück weit in Frage

Peer-Reviewed Publication

University of Bonn

Die Bilder zeigen den Hinterleib von Fliegen, in denen eine spezifische Enhancer-Region modifiziert wurde.

image: Ja nachdem, wieviel und welcher Teil der Region verändert ist, ändern sich unterschiedliche Bereiche des Pigmentmusters. Das zeigt, dass die Region mehrere nicht modulare Enhancer enthält (blau = starke Pigmentierung; rot = schwache Pigmentierung). (c) view more 

Credit: Mariam Museridze / Universität Bonn

Im Genom gibt es Sequenzen, die dafür sorgen, dass manche Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Bislang dachte man, dass jeder dieser sogenannten Enhancer einen eigenen Platz auf der DNA belegt. Verschiedene Enhancer sind also isoliert voneinander, selbst wenn sie dasselbe Gen steuern, und schalten Gene in verschiedenen Körperteilen an. Eine aktuelle Studie der Universität Bonn und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) stellt diese Vorstellung ein Stück weit in Frage. Die Ergebnisse sind auch deshalb wichtig, weil die Genschalter vermutlich eine zentrale Rolle bei der Evolution spielen. Die Studie ist nun in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.

Der Bauplan von Pflanzen und Tieren ist in ihrer DNA festgeschrieben. Doch nur ein kleiner Teil des Genoms - bei Säugetieren etwa zwei Prozent - enthält Gene, also Bauanleitungen für Proteine. Der Rest ist zu einem großen Teil dafür da, diese Gene zu kontrollieren: Er reguliert, wie viele Abschriften von ihnen hergestellt werden, und damit auch die Menge der anhand dieser Abschriften produzierten Proteine.

Zu den wichtigsten dieser regulatorischen Sequenzen zählen die sogenannten „Enhancer“. Sie wirken ähnlich wie ein Dimmer, mit dem wir unser Wohnzimmer je nach Bedarf in schummeriges oder gleißendes Licht tauchen können: Sie verstärken gezielt die Aktivität eines bestimmten Gens, sorgen also dafür, dass es häufiger abgelesen wird, wenn das gerade nötig ist. Oft gibt es für ein- und dasselbe Gen zahlreiche verschiedene Enhancer. Sie steuern beispielsweise die Aktivität dieser Erbanlage in verschiedenen Geweben oder zu unterschiedlichen Entwicklungs-Zeitpunkten.

Enhancer steuern Färbung von Drosophila

Bislang glaubte man, die Genschalter seien modular aufgebaut. Der Begriff bedeutet, dass jeder Enhancer einen isolierten Abschnitt auf der DNA belegt. „Wir konnten jedoch zeigen, dass das in dieser Absolutheit nicht stimmt“, erklärt Mariam Museridze. Sie promoviert am Bonner Institut für organismische Biologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Nicolas Gompel und ist Erstautorin der Studie. Gompel ist zudem Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Uni Bonn.

Die Forschenden haben untersucht, wie in der Fruchtfliege Drosophila ein Gen namens yellow reguliert wird. Die Erbanlage sorgt dafür, dass das Insekt das bräunliche Pigment Melanin bildet. Es gibt eine ganze Reihe von Enhancern, die die Aktivität von yellow kontrollieren. Einer von ihnen ist beispielsweise für die Pigmentierung der Zähne der Maden, ein anderer dagegen für die Bildung eines Streifenmusters auf dem Unterleib der Fliegen verantwortlich.

„Wir haben uns nun zwei dieser Enhancer genauer angesehen“, sagt Museridze. „Der erste kontrolliert die Musterung der Flügel, der zweite ausschließlich während der Metamorphose der Fliege die Färbung von Kopf, Brust und Unterleib.“ Dabei stellte die Arbeitsgruppe fest, dass der Körper-Enhancer nicht wie erwartet in einer anderen Region auf der DNA liegt als der Flügel-Enhancer. Stattdessen gibt es DNA-Bereiche, die zu beiden Genschaltern gehören, also sowohl die Pigmentierung des Flügels also auch die des Körpers beeinflussen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Architektur der regulatorischen Sequenzen im Genom deutlich komplexer ist, als bislang angenommen wurde. Das hat auch weitreichende Implikationen für die Art und Weise, wie sich Merkmale im Laufe der Evolution verändern. Denn bei diesem Prozess spielen Enhancer nach heutigem Verständnis eine Schlüsselrolle.

Enhancer als Spielwiese der Evolution

Grund dafür ist, dass viele Proteine so wichtig für den Organismus sind, dass eine Mutation in ihrem Gen (also der DNA-Sequenz, die die Bauanleitung des Proteins enthält) schwerwiegende Probleme verursachen oder gar den sicheren Tod bedeuten würde. Dadurch ändern sich beispielsweise die Gene, die die Körperform, die Zahl der Flügel oder der Beine steuern, im Laufe der Evolution nur selten. Enhancer bieten einen Ausweg aus diesem Dilemma: Wenn sie mutieren, ändert sich die Aktivität des entsprechenden Gens, aber nur in einem bestimmten Gewebe und zu einem bestimmten Zeitpunkt.

„Die Mutation eines Enhancers verursacht also weniger Kosten, als wenn sie direkt das Gen betreffen würde“, betont Mariam Museridze. „So können im Laufe der Evolution einfacher neue Merkmale entstehen.“ Es sei ähnlich wie beim Kuchenbacken: Wenn man Eier, Mehl, Milch und Zucker verrühre, könne man je nach Mischungsverhältnis ganz unterschiedliche Teigsorten herstellen. Die Enhancer sind in diesem Beispiel für die Menge der Zutaten zuständig, nicht für ihre Art.

Eine Genmutation entspricht hingegen der Situation, in der man eine Zutat zufällig gegen etwas ganz Anderes ersetzt - etwa wenn man statt Mehl Sägemehl verwendet. Dann wird das Ergebnis sicher nicht besonders schmecken. Eine Mutation in einem Enhancer würde dagegen die Menge des Mehls verändern. „Wenn Enhancer nicht so modular sind wie gedacht, bedeutet das aber, dass Mutationen in ihnen viel breitere Auswirkungen haben können“, sagt Museridze. Das heißt, eine solche Mutation könnte sich auf die Menge mehrerer Zutaten zugleich auswirken. Möglicherweise behalten die Enhancer aber auch ihre Unabhängigkeit und kontrollieren weiterhin nur die Menge einer einzelnen Zutat, obwohl ihre Sequenzen ineinander verwoben sind und gemeinsam genutzt werden. „Wir wollen diese Möglichkeiten nun genauer untersuchen“, erklärt Prof. Gompel. „Außerdem wollen wir herausfinden, wie weit verbreitet unser Befund ist und inwieweit das unser Verständnis evolutiver Mechanismen berührt.“

Prof. Gompel und seine Arbeitsgruppe haben ihre Studie an der LMU München begonnen und an der Universität Bonn zum Abschluss gebracht. Daneben war die University of California in Davis, USA, an den Untersuchungen beteiligt. Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die LMU München gefördert.


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